Vertrauen, Transparenz, Qualitätssicherung

    • Der Global Organic Textile Standard ist das weltweit führende Regelwerk für die ökologisch nachhaltige und sozial faire Verarbeitung von Bio-Fasern. Dazu ein Gespräch mit Juliane Ziegler, GOTS-Repräsentantin in Deutschland, Österreich und der Schweiz.
    • Juliane Ziegler - GOTS-Repräsentantin in Deutschland, Österreich und der Schweiz.


      • Wie würden Sie die Rolle von GOTS in der Naturtextilbranche beschreiben: Pionier, Antreiber, Berater, Meinungsmacher, Lobbyist für die gute, öko-soziale Sache ...?

        Juliane Ziegler: GOTS ist Pionier, Antreiber und Berater zugleich. GOTS steht für Global Organic Textile Standard und wurde von vier Standardorganisationen geschaffen: Organic Trade Association (U.S.), Japan Organic Cotton Association, Internationaler Verband der Naturtextilwirtschaft (Deutschland) und Soil Association (UK). Ziel ist es, den biologischen Status von Textilien und eine glaubwürdige Produktsicherheit für die Konsumenten zu gewährleisten. Inzwischen hat sich GOTS als weltweit führender Textilverarbeitungsstandard für Bio-Fasern etabliert. Entlang der gesamten textilen Lieferkette findet eine unabhängige Zertifizierung unter Einbeziehung ökologischer und sozialer Kriterien statt. Dadurch können Textilverarbeiter*innen und -hersteller*innen weltweit ihre Stoffe und Kleidungsstücke mit einer Bio-Zertifizierung verkaufen, die auf allen wichtigen Märkten international akzeptiert wird. Unsere Vision, Bio-Textilien zu einem bedeutenden Teil des täglichen Lebens zu machen und das Leben der Menschen und die Umwelt zu verbessern, treibt das gesamte GOTS-Team jeden Tag an, und lässt uns den Standard weiter voran bringen.

        Wir hören manchmal von Kooperationspartnern und Lieferanten, dass sie zwar nach den GOTS-Richtlinien arbeiten, aber in Bezug auf eine offizielle Zertifizierung zögern. Was sind aus Ihrer Sicht die Gründe für diese Skepsis: Kosten, bürokratischer Aufwand, Verteuerung der Produkte, mangelnde Notwendigkeit für den Markt...?

        Juliane Ziegler: Abhängig von der Größe des Unternehmens könnten natürlich vor allem bei kleinen Unternehmen oder Start-Ups die Kosten eine Rolle spielen. Grundsätzlich spricht eine Zertifizierung jedoch für Transparenz, Risikomanagement und Vertrauen! Verbraucher*innen verlangen mehr und mehr, dass Unternehmen Verantwortung übernehmen und wollen Antworten zu Fragen wie: Wo und unter welchen Umständen wurde meine Kleidung produziert? Die Zeiten, in denen blind eingekauft wurde, sind vorbei. Durch eine Zertifizierung sichern sich Unternehmen ab und gewährleisten ihren Kund*innen gegenüber Transparenz und die Einhaltung von Umwelt-und Sozialkriterien, üperprüft durch unabhängige Zertifizierer. Viele Unternehmen nutzen eine Zertifizierung auch als Risikomanagement-Tool. Die gesamte Bio-Lieferkette wird von der Ernte über die Herstellung bis hin zum Handel abgedeckt und bietet so den Endverbraucher*innen glaubwürdige Sicherheit.

        Neben den ökologischen Aspekten spielt bei GOTS auch die soziale Verantwortung eine große Rolle. Ist die Überprüfung sozialer Standards, etwa in Ländern wie China oder Pakistan, nicht ungleich schwerer als jene der ökologischen?

        Juliane Ziegler: GOTS setzt weltweit einheitliche Kriterien. Zur adäquaten Umsetzung und Beurteilung der GOTS Social Criteria müssen die Einhaltung der entsprechenden internationalen Arbeitskonventionen der International Labour Organisazion (ILO), der United Nations Guiding Principles on Business and Human Rights (UNGPs) und der OECD sichergestellt werden. Von den Zertifizierer*innen wird zudem erwartet, dass sie bei der Durchführung von Audits die lokalen und nationalen Bedingungen in ihre Risikobewertung miteinbeziehen. Eine Zertifizierung ist nur möglich, wenn die Übereinstimmung mit allen GOTS-Kriterien, einschließlich der sozialen und arbeitsrechtlichen Anforderungen, überprüft wurde, unabhängig davon in welchem Land.



      • Konsumenten sind beim Einkaufen mit vielen verschiedenen Siegeln konfrontiert. Woher kann man wissen, dass das GOTS-Siegel vertrauenswürdig ist?

        Juliane Ziegler: Die Bezugnahme auf und Kennzeichnung mit GOTS sind geschützt, um Glaubwürdigkeit zu gewährleisten und Verbraucher*innen Transparanz zu garantieren. Jeder, der beabsichtigt, ein Textilprodukt mit dem markenrechtlich geschützten GOTS-Logo, mit einer GOTS-Kennzeichnung und/oder einem sonstigen Hinweis auf GOTS zu verkaufen, zu kennzeichnen oder darzustellen, muss zuvor sicherstellen, dass die GOTS-Kriterien und Lizenzbedingungen erfüllt werden. Das GOTS-Label am Produkt ist nur erlaubt, wenn alle Verarbeitungsschritte – vom Feld bis zum finalen Produkt – GOTS-zertifiziert sind!

        Wie würden Sie den Unterschied zwischen GOTS und NATURTEXTIL BEST beschreiben? Hinter beiden Siegeln steht ja der IVN, der Internationale Verband der Naturtextilwirtschaft e. V.?

        Juliane Ziegler: Bei Naturtextil BEST muss das Textilprodukt zu 100 % aus Naturfasern bestehen, die aus kontrolliert biologischem Anbau (kbA) oder kontrolliert biologischer Tierhaltung (kbT) stammen. Bei GOTS hingegen gibt es zwei Labelstufen: Bei „made with organic materials“ ist ein Minimum von 70 % zertifizierten Biofasern erforderlich. Bei „organic“ müssen es mindestens 95% sein.

        Auf utopia.de ist folgender Satz über GOTS zu finden: "GOTS verbessert über neue Standard-Versionen kontinuierlich seine Anforderungen, achtet aber zugleich darauf, dass sie für Hersteller und Einzelhändler im Massenmarkt umsetzbar bleiben, um eine möglichst große Hebelwirkung erzielen zu können." Trifft dieser "breitenwirksame" Ansatz von GOTS Ihrer Ansicht nach zu?

        Juliane Ziegler: Das ist richtig, GOTS unterliegt alle drei Jahre einer Revision, zu der diverse Stakeholder, unter anderem Verteter*innen der Industrie, NGOs und Verbraucherinteressen, mit Fachwissen in den Bereichen ökologische Produktion, Textilverarbeitung, Textilchemie sowie soziale Kriterien beitragen. Durch die Überarbeitung des Standards wird dieser kontinuierlich verbessert und zugleich eine breite Anwendbarkeit garantiert, was zu einem noch größeren Impact führt. All das, was der Standard vorgibt, sollte langfristig nicht mehr die Ausnahme sein, sondern die Regel.

        Wo sehen Sie für Ihre Organisation das größte Entwicklungspotenzial für die Zukunft: Noch strengere Kriterien? Noch mehr zertifizierte Betriebe und Produkte?

        Juliane Ziegler: Man könnte sagen, das GOTS-Label hat an Berümtheit gewonnen und Konsument*innen suchen immer aktiver danach. Die Nachfrage nach zertifizierten Produkten wird so in den nächsten Jahren noch mehr zunehmen. Unternehmen werden verstärkt zur Verantwortung gezogen, reine „self-claims“ reichen langfristig nicht mehr aus, um eine nachhaltige Produktion zu garantieren. Transparenz, Rückverfolgbarkeit und Qualitätssicherung spielen eine immer wichtigere Rolle! Betriebe müssen sich verstärkt damit beschäftigen wo, von wem und unter welchen Umständen ihre Produkte hergestellt wurden. Die Einhaltung sozialer und umweltgerechter Produktionsbedingungen, die Beziehungen zu Lieferanten, sowie der Einsatz nachhaltiger Materialien werden immer notwendiger.

        Was ist Ihre persönliche Motivation für die Tätigkeit bei GOTS: ökologisches und soziales Engagement, Konsumenten mit wahrheitsgetreuen Informationen versorgen, die Welt ein bisschen besser machen ...?

        Juliane Ziegler: Durch meine eigenen Erfahrungen in der Industrie habe ich aus erster Hand mitbekommen, wie „unnachhaltig“ leider vieles noch läuft. Das war für mich ein „eye-opener“. Die Frage, wie kann es besser gemacht werden, dass Mensch und Umwelt nicht mehr nur an 2. Stelle stehen, hat mich seitdem nicht mehr losgelassen. Mit meiner Arbeit bei GOTS kann ich meinem Anliegen, über die Möglichkeiten einer besseren, nachhaltigeren Textilwirtschaft aufzuklären, nachkommen. Nur wenn wir ganzheitlich agieren und alle Akteure entlang der gesamten Lieferketten miteinbeziehen, können wir gemeinsam etwas verändern – und diese Welt noch ein wenig schöner machen!