Auf Entdeckungstour

  • Ein Besuch in der Grünen Erde Welt und der Gläsernen Manufaktur

    Es ist warm an diesem Junimorgen als ich auf dem Parkplatz der Grünen Erde Welt im oberösterreichischen Scharnstein ankomme. Die erste Überraschung: Das Besucher und Erlebniszentrum liegt weit ab von Industrie, Stadt und Verkehrslärm. Ein 16 Hektar großes Idyll. Ich höre Vögel zwitschern und Bienen summen, während ein Duft gemischt aus frisch gemähtem Gras, verschiedener Arten Sommerblumen und ein Hauch Lavendel in meine Richtung weht.

    Was auf den erstem Blick wie fast zufällig gewachsenen wirken mag, ist der klug konzipierte Auftakt eines ganz besonderen Erlebnis. Schritt für Schritt, Blume für Blume und Baum für Baum können hier Besucher wie ich den gesamtem Weg eines Grüne Erde-Produkts verfolgen – vom winzigen Keim bis hin zur fertigen Matratze, Kissen oder Sofa. Eine ganze Wertschöpfungskette an einem Ort.
    • Mit Verantwortung

      Seit der Gründung des österreichischen Unternehmens 1983 steht für die beiden Eigentümer von Grüne Erde, Reinhard Kepplinger und Kuno Haas, vor allem die Frage im Mittelpunkt, wie man ein erfolgreiches Unternehmen führen kann, ohne dabei Natur und Menschen auszubeuten. Ökologische Nachhaltigkeit heißt diese Strategie und meint damit Nachhaltigkeit, die deutlich über das geforderte Mindestmaß hinausgeht.

      Die Grüne Erde Welt führt diese Idee konsequent fort. Sie soll ein Ort sein, an dem Besucher erfahren können, was die Grüne Erde Welt und ihre Produkte ausmacht, und selbst mit der Natur in Verbindung treten können. Und das spürt man nicht nur im Garten. Das Gebäude selbst ist so designt, dass man es zuerst gar nicht bemerkt und sich voll und ganz auf den üppigen Garten konzentrieren kann. Heute, am Tag meines Besuchs, reflektiert die aus Glas und Holz bestehende Fassade so stark das Blau des Himmels, dass ich kurz denke, dass dort kein Gebäude steht, sondern sich ein See zwischen den Baumkronen ausbreitet.
    • Preisgekrönt

      Das 9000 Quadratmeter große Gebäude wurde aus heimischen Naturmaterialien wie Fichten- und Eichenholz errichtet. Design und nachhaltige wurden bereits mit mehreren Preisen ausgezeichnet. Besonderer Clou sind die 13 Lichthöfe im Inneren des Gebäudes. Jeder Hof ist mit einer anderen Waldvegetation bepflanzt. Kleine, in sich geschlossenen Minibiotope, die angenehmes Licht spenden und frische Luft produzieren. Sie versorgen das Haus mit Sauerstoff und bieten auf natürliche Weise Kühlung, sodass das Haus ganz ohne Klimaanlage auskommt.

      Beim Betreten des Gebäudes spürt man sofort, dass hier etwas anders ist. Es riecht angenehm nach frischem Holz. Mein Blick bleibt direkt an einem riesigen Baumstamm hängen, der mitten im Eingangsbereich liegt. Jeder Besucher darf ihn anfassen. Und so lasse auch ich meine Hand über seine mal raue, mal glatte Rinde gleiten. Direkt daneben finden sich Rohstoffe wie Alpakahaar, Hanffasern, Schurwolle oder getrocknete Lavendelblüten. In kleinen Holzkästen hängen sie neben- und übereinander an der Wand aufgereiht und warten nur darauf, dass Besucher ihre Hand hineinstecken und fühlen. Fühlen, hören, sehen, riechen – mit fast allen Sinnen kann man so direkt in das Erlebnis Grüne Erde Welt eingetaucht.
    • Es begann mit einer Wolke

      Kurz hinter dem Eingangsbereich beginnt die Gläserne Manufaktur, eine von allen Seiten einsehbare Schauproduktion, in der alle Matratzen und Polstermöbel des Unternehmens gefertigt werden. Von sechs bis 15 Uhr arbeitet hier ein 50-köpfiges Team an Sofas, Polstern und Matratzen – dem Produkt, mit dem vor 40 Jahren alles angefangen hat. Das erste Produkt war nämlich eine Matratze aus Naturmaterialien namens „Weiße Wolke“. Bis heute ist sie in leicht abgewandelter Form fester Bestandteil des Sortiments, das seitdem stetig gewachsen ist. Erst um weitere Matratzen, dann um Betten, Möbel und seit Anfang der 2000er-Jahre auch noch um Naturkosmetik und Kleidung. Alles wird mit großer Sorgfalt gefertigt.

      In der Manufaktur sieht das so aus: Zuerst schneiden die Mitarbeiterinnen die unterschiedlichen Materialien wie zum Beispiel Baumwolle, Presskokos, Kokoslatex oder Schurwolle zu. Danach bauen sie den Matratzenkern zusammen, indem sie Schicht für Schicht übereinanderlegen. Am Ende kann so eine Matratze aus bis zu 64 Einzelteilen, 13 Schichten und sieben Liegezonen bestehen. Kurz bevor die handgenähten Bezügen darüber gelegt und mit den einzelnen Schichten versteppt werden, streuen die Mitarbeiterinnen getrocknete Lavendelblüten oder Zirbenholzspäne zwischen die Schichten. So packt man daheim nicht nur eine Matratze, sondern auch gleich noch den unverwechselbaren Grüne Erde Duft aus.
    • Mit gutem Gewissen

      Technische Unterstützung bekommen die Frauen bei all diesen Schritten nur von einer Steppmaschine und einer pneumatische Hebeanlage, die beim Herumwuchten der bis zu 60 Kilo schweren Matratzen hilft. Der Rest ist ausschließlich traditionelle Handarbeit. Etwa 13.000 Matratzen werden hier so jedes Jahr produziert. Verpackt in ebenfalls handgenähten Transporttaschen und recycelten Kartons finden sie schließlich ihren Weg zum Käufer.

      Und der kann darauf mit gutem Gewissen schlafen: „Wir sind bislang der erste und einzige Matratzenhersteller, der ausschließlich GOTS-zertifizierte Matratzen anbietet“, erklärt mir Christian Schoen. Ich treffe den Leiter Produktmanagement Schlafen nach meiner Tour durch die Manufaktur. Gemeint ist damit, dass seit Sommer 2022 alle Matratzenmodelle nach dem strengen international geltenden Regelwerk des Global Organic Textile Standard gefertigt werden. Dieser erfasst neben ökologischen auch soziale Kriterien wie beispielsweise Mindestlohn, sichere Arbeitsbedingungen und das Verbot von Kinderarbeit. Für den Konzern aber eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Schoen und seinem Team arbeiten immer daran, die bestmöglichen Standards zu erfüllen – unabhängig von Siegeln oder anderen Vorgaben: „Ökologisch und ethnisch einwandfrei zu produzieren gehört zu unserer DNA.“
    • Ein Wald aus Decken

      Auf die Gläserne Werkstatt folgt eine Art Wald aus Bettdecken. Alle Modelle, die es derzeit zu kaufen gibt, hängen an langen Seilen befestigt von der Decke, so dass man hindurchgehen und jede einzelne Decke erfühlen kann. Und auch hier sind sie wieder: Die Holzkisten mit Naturmaterialien zum Anfassen wie die Alpakawolle, die sich unheimlich weich und kuschelig anfühlt und gerne für die Decken verwendet wird, die im Winter schön warm halten sollen.

      Eine Station weiter darf man schließlich die Matratzen ausprobieren. Jede einzelne ist so bequem, dass ich am liebsten einfach liegen bleiben würde. Dann würde ich allerdings neben den weiteren Ausstellungsstücken wie Sofas, Sessel und auch Kosmetik, eine weitere Besonderheit verpassen: das Bio-Bistro. Hier gibt es biologische Gerichte aus regionalen Produkten. Und unfassbar leckeren Schokokuchen, der am besten schmeckt, wenn man ihn im Obstgarten genießt. Fühlen, hören, sehen, riechen und jetzt auch noch schmecken – die Grüne Erde Welt lässt sich wahrhaftig mit allen Sinnen erleben.