Warum ist Bio-Baumwolle besser für Mensch und Umwelt?
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Baumwolle in ihrer ursprünglichen Form ist nach wie vor eine ganz normale Pflanze, die sich in den Kreislauf der Natur integriert. Erst durch die endlosen Bemühungen, Erträge und Gewinne stetig zu optimieren, wurde ihr der Ruf zuteil, die schmutzigste aller Ackerpflanzen zu sein. Etwa 100 Millionen Haushalte verdienen ihren Lebensunterhalt mit Baumwolle und die Nachfrage steigt stetig.
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Inmitten konventionell angebauter Baumwolle zeigt sich jedoch ein kleiner Prozentsatz, der Hoffnung spendet! Etwa 1,5 % der weltweit angebauten Baumwolle ist aus kontrolliert biologischem Anbau. Doch bevor wir auf die Frage zurückkommen, wie nachhaltig Bio-Baumwolle wirklich ist, sollten wir uns die erschreckende Bilanz konventionell angebauter Baumwolle ansehen.
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Woher kommt die Baumwolle und welche Vorteile birgt sie?
Es lässt sich nicht mehr nachvollziehen, wann und wo der Mensch die Baumwolle für sich entdeckt hat. Vermutlich aber geschah es ganz unabhängig voneinander an unterschiedlichen Orten. Die ältesten Belege für Baumwolle als Nutzpflanze reichen bis 6.000 v. Chr. zurück und stammen aus dem Indus-Tal im heutigen Indien. In mexikanischen Höhlen wurden Stoffe gefunden, deren Fasern man auf ein Alter von über 7.000 Jahren schätzt.
Die Vorteile der Baumwolle liegen auf der Hand: Sie ist sehr saugfähig und kann bis zu 20 % ihres Gewichtes an Feuchtigkeit aufnehmen, ohne sich feucht anzufühlen. Ihre Reißfestigkeit nimmt in nassem Zustand sogar noch zu, die Steifigkeit der Faser ist geringer als bei Hanf oder Leinen, aber ihre Dehnfähigkeit ist deutlich höher. Dadurch ist Baumwolle weniger knitteranfällig als Leinen oder Hanf, sie fühlt sich auf der Haut gut an, kratzt nicht und ist beständig gegen Laugen und Hitze. -
Baumwolle, ein wertvolles Gut
Es ist also kein Wunder, dass die Baumwolle nicht in den Tälern in Indien und den Höhlen in Mexiko geblieben ist, sondern sich im Lauf der Jahrhunderte auf der ganzen Welt verbreitet und etabliert hat. Heute gilt sie als unverzichtbar, die Nachfrage nach der vielseitigen Faser steigt noch immer an. Dabei ist gerade die jüngere Geschichte der Baumwolle nicht nur von Erfolg, sondern auch von Unterdrückung und Ausbeutung geprägt. Prominente Beispiele dafür sind unter anderem der Umgang der Kolonialmacht England mit Indien, die Sklaverei in den Vereinigten Staaten von Amerika und der letztlich daraus resultierende Bürgerkrieg zwischen den Nord- und Südstaaten. Das klingt alles nach weit entfernter Vergangenheit, aber die Auswirkungen von Beschaffung und Verarbeitung des Weißen Goldes gehen heute sogar noch über weltpolitische Ereignisse hinaus. -
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Die einen ernten die Baumwolle, die anderen den Lohn
So wie uns Menschen die Vorteile der Baumwolle über die letzten Jahrhunderte begleitet haben, so sind uns auch die Schwierigkeiten bis heute erhalten geblieben, die eine kommerzielle Nutzung mit sich bringt. Zwar wird die aufwendige und mühevolle Ernte in der Regel nicht mehr von Sklaven erledigt, die Lebens- und Arbeitsbedingungen sind für die Kleinbauern und Arbeiter auf den Feldern aber oft genauso unakzeptabel. Zwischen 95-99 % der Baumwollbauern leben heute in Entwicklungsländern, eben dort, wo Arbeitskräfte billig sind und keine Alternative zur harten Arbeit unter schlechten Bedingungen sehen. Sogar Kinder werden für die anstrengende Tätigkeit auf den Plantagen herangezogen. Und während in der Textilindustrie Milliarden umgesetzt werden, bedrohen Ernteausfälle, ein harter Konkurrenzkampf und zunehmend auch Naturkatastrophen die Existenz von unzähligen Familien, die ihren Unterhalt mit Baumwolle verdienen. -
Die Wirtschaft wächst schneller als Baumwolle
Als wären Ausbeutung und Armut nicht schon schlimm genug, haben sich inzwischen auch noch neue Probleme aufgetan. Mit dem wachsenden Bedarf der Industrienationen am Rohstoff Baumwolle wurden neue Anbaugebiete erschlossen und die Erntezyklen verkürzt. Baumwolle ist eine anspruchsvolle Pflanze. Sie braucht warmes Klima, viel Wasser und sie reift über mehrere Jahre. Regen ist für den Ernteertrag ungünstig, da die Feuchtigkeit in den begehrten, watteähnlichen Bällchen der Pflanze zu Fäulnis führen kann – das ist zwar kein Problem für die Natur, aber eines für die Textilwirtschaft.
Deswegen – um den Ansprüchen der Industrie an eine Nutzpflanze gerecht zu werden – wird Baumwolle heute bevorzugt in trockeneren Gebieten angebaut. Meist ist sie einjährig kultiviert, sodass regelmäßig geerntet und der Ertrag gesteigert werden kann. Das bleibt nicht ohne Folgen. Der durch künstliche Bewässerung ständig feuchte Boden in den eigentlich trocken-heißen Gebieten begünstigt die Ausbreitung von Schädlingen wie Blattläusen und Kapselraupen. -
Wachstum mit allen Mitteln
Die Bekämpfung von Schädlingen mit Pestiziden und anderen Agrargiften hat einen enormen Umfang angenommen. Die Zahlen sind erschreckend. Auf etwa 2,5 % der weltweiten Anbaufläche wächst Baumwolle und auf eben dieser Fläche werden 16 % aller Insektizide verspritzt. Diese Entwicklung hat auch der Einsatz von gentechnisch veränderter Baumwolle nicht aufhalten können. Im Gegenteil: Zwar ist es so gelungen, die Pflanze künstlich vor bestimmten Schädlingen, wie zum Beispiel dem Baumwollkapselbohrer, zu schützen, letztlich haben aber andere Schädlinge wie Blattläuse und Stinkwanzen diese Lücke geschlossen und sich prächtig vermehrt. -
Weißes Gold als schweres Schicksal
Die Baumwollbauern und Arbeiter auf den Plantagen sind auch hier die Leidtragenden. Das genveränderte Saatgut bringt nicht den erhofften Erfolg im Kampf gegen die Schädlinge, es muss aber teuer gekauft werden. Häufig werden dafür Kredite aufgenommen, bei Ernteausfällen führt der Weg schnell zur Überschuldung. Auch Düngemittel für die übermäßig beanspruchten Böden sowie Pestizide und Agrargifte verursachen Kosten – dabei stellen gerade sie eine direkte Gefahr dar. Die Weltgesundheitsorganisation geht davon aus, dass jährlich 20.000 Menschen im Baumwollanbau an Pestizid-Vergiftungen sterben und etwa weitere 500.000 Vergiftungsfälle mit schwerwiegenden Folgen für die Gesundheit auftreten.
Die Zukunft der Baumwolle als Rohstoff ist längst kein regionales Problem mehr. Das gilt in Bezug auf die Situation der Menschen in den Entwicklungsländern und auch für die Auswirkungen auf Natur und Umwelt. Große ökologische Katastrophen lassen sich auf den Anbau von Baumwolle zurückführen. -
Zum Beispiel hängt das Austrocknen des Aralsees maßgeblich damit zusammen, dass über 50 Jahre hinweg intensiv Wasser zur Bewässerung von Plantagen abgezweigt wurde. Für den Anbau von gerade einmal einem Kilo Baumwolle sind auf einer Fläche von 13 m im Durchschnitt etwa 15.000 Liter Wasser nötig. In der Saison 2017/2018 wurden rund 122,76 Millionen Baumwoll-Ballen produziert. Für das Erntejahr 2018/2019 wird eine weltweite Baumwollernte von 120,4 Millionen Ballen prognostiziert. Ein Baumwoll-Ballen weist ca. ein Gewicht von 218 kg auf.
Daraus lässt sich auch ableiten, dass Baumwolle mit einer der größten globalen Bedrohungen unserer Zeit in unmittelbarer Verbindung steht – dem Klimawandel. Die Landwirtschaft verursacht 24 % der weltweiten Treibhausgasemissionen und damit mehr als das Transportwesen oder die Energiegewinnung. Tendenziell ist hier sogar noch mit einem deutlichen Anstieg zu rechnen. Denn: Baumwolle macht bereits etwa 50 % der weltweiten Textilfaser-Produktion aus.
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Wie nachhaltig ist Bio-Baumwolle wirklich?
Umso deutlicher zeigt sich dadurch aber das Potenzial von Bio-Baumwolle: Die positiven Auswirkungen für Mensch und Umwelt sind gewaltig, wenn man sich auf einen natürlicheren, vernünftigeren und nachhaltigen Anbau zurückbesinnt.
Schon das Einsparpotenzial an Wasser ist groß. In Bio-Anbauprojekten lernen Baumwoll-Bauern, wie sie durch Tröpfchen- oder Furchenbewässerung effizient mit Wasser umgehen. Hinzu kommt, dass biologisch bewirtschaftete Böden die Feuchtigkeit besser speichern können. Anders als beim konventionellen Anbau wird lediglich mit Humus und Pflanzenjauchen gearbeitet, der Einsatz von Agrargiften ist verboten. Bewährte mechanische Methoden und natürliches, nicht genmanipuliertes Saatgut kommen zum Einsatz. Unkraut jäten, das Einsammeln von Schädlingen und auch die Ernte sind Handarbeit.
Die Soil Association hat im September 2015 im Vorfeld der UN-Klimakonferenz in Paris eine Studie unter dem Titel „Cool Cotton – Organic cotton and the climate change“ veröffentlicht. Sie ermittelt ein Einsparpotenzial durch den Anbau von Bio-Baumwolle gegenüber konventionell angebauter Baumwolle von 91 % beim Wasserverbrauch und von 62 % beim Energieverbrauch. Außerdem könne der Einfluss auf die Erderwärmung um 46 % reduziert werden. -
Bio-Baumwolle hat im Unterschied zu konventioneller Baumwolle
- 20 % weniger Nährstoffeinträge in den Boden.
- 70 % weniger Einfluss auf Übersäuerung des Bodens.
- 91 % weniger Wasserverbrauch.
- 46 % weniger CO2-Emissionen.
- 62 % weniger Energieverbrauch. -
Welche Nachteile hat Bio-Baumwolle?
Schon jetzt zeigt sich: Selbst das Hauptargument für konventionell angebaute Baumwolle, kostengünstiger zu produzieren, lässt sich nicht eindeutig belegen. Nach einer von der Soil Association angeführten indischen Langzeitstudie ist der Ertrag bei Bio-Baumwolle zwar um 14 % niedriger, aber auch die Produktionskosten sind um 38 % geringer als bei konventionell produzierter Baumwolle. Letztlich wären auch die Kosten für die medizinische Versorgung der Agrargift-Opfer, finanzielle Einbußen und Aufwendungen auf Grund von Umweltschäden sowie anteilig sogar die Folgen des Klimawandels zu veranschlagen, auch wenn diese für Konzerne und Endverbraucher nicht unmittelbar spürbar sind. -
Der lange Weg zurück zum Bio-Anbau
Die Recherche nach dem Anteil von Bio-Baumwolle auf dem Weltmarkt ist ernüchternd. Etwa 1,5 % des weltweiten Baumwollanteils ist ökologisch nachhaltig, sozusagen Baumwolle aus kontrolliert biologischem Anbau. 51 % der Baumwolle kommen aus Indien, 19 % aus China, kleine Anteile aus Ländern wie Kirgisistan, Türkei oder Tadschikistan. Laut dem Cotton Report von Textile Exchange nimmt die Nachfrage weiter zu. Der Verbrauch an Bio-Baumwolle kam 2018 auf knapp 118.000 Tonnen – ein Anstieg von ca. 10 % zum letzten Baumwoll-Bericht im Jahre 2015/2016. Hierfür stieg auch die Anbaufläche um 56 % zu 2015/2016. Aktuell werden 480.000 Hektar für Bio-Baumwolle bewirtschaftet und zusätzlich noch ca. 215.000 Hektar für Bio-Baumwolle in Umstellung (Organic Cotton in Conversion). -
Siegel für Bio-Baumwolle
Ein aussagekräftiges Siegel für Bio-Baumwolle ist der Global Organic Textile Standard kurz GOTS, sowie eine Zertifizierung des IVN (Internationaler Verband der Naturtextilwirtschaft e.V.). Beide Siegel stehen für die strengsten Anforderungen bei nachhaltig produzierten Textilien und garantieren eine ökologische und sozial faire Herstellung entlang der gesamten Produktionskette – von der Gewinnung der Naturfasern über die Fertigung bis zur Auslieferung an den Endkunden.
Am Ende ist es eben Sache der Kunden, welches Kleidungsstück sie kaufen. Gut zu wissen, dass man sich dabei auch immer für oder gegen bestimmte Anbaumethoden und Arbeitsbedingungen auf Baumwollfeldern entscheiden kann.
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